oh, my coney island baby now
„der junge mann, der hier so adrett seine melone lüpft, ist der 33-jährige lou reed. soeben hat er mit „coney island baby“ seine vorerst letzte platte für rca records vorgelegt. sie dürfte dem einen oder anderen zumindest optisch bekannt vorkommen, denn in deutschen fachläden für second-hand schallplatten ist die 1975er vinyl doch vergleichsweise häufig aufzustöbern. ein indiz dafür, dass die halbwertszeit des albums begrenzt ist? mitnichten. der autor vermutet eher kurzfristige geldnot der verkaufenden ex-besitzer und -besitzerinnen oder den vorschnellen umstieg auf das verheißungsvolle cd-format. zugegeben, unter den ersten platten in reeds solo-karriere ragt „coney island baby“ nicht als ambitioniertestes werk heraus – hier sind eher „berlin“ oder der avantgardistische, ausschließlich aus gitarren-rückkoppelungen bestehende label-schocker „metal machine music“ zu nennen. doch das rennen um die entspannteste pop-platte dürfte es machen. lou reed zieht hier im übertragenden sinne das musikalische anschluss-ticket an sein selbstbetiteltes solo-debüt oder velvet undergrounds letzte großtat „loaded“. daher auch kein zufall, dass hier mit „she’s my best friend“ noch einmal ein stück aus der vergangenen band-karriere neu aufbereitet wird. selbst blutrausch-fantasien (in „kicks“) werden auf „coney island baby“ vom federnden blues-rock eingefangen. dass der platte letztlich kein anschein beliebiger radio-dudelei anhaftet, ergibt sich aus eben diesem antagonismus von gefälliger – dabei nicht minder dynamischer – instrumentierung und reeds gewohnt gebrochenen texten (bevorzugtes wort: „now“, bevorzugtes thema: frauen verschiedenen charakters). wer lou reed demnächst wieder einmal den hut ziehen sieht, sollte eventuell kurzerhand zugreifen – die remasterte cd-ausgabe, die unter anderem eine alternative version von „crazy feeling“ bietet, bei der reed ganz offensichtlich von halsschmerzen gepeinigt wurde, ist nach ansicht des autors weniger knisternd. nur auf der lp kommt das beste auch wirklich zum schluss.“