16. Juni 2013

waschlappen?

verfasst in lost takes von oklahoma - od

„als ich vor wenigen tagen aus dem verwaisten zeitungsstapel die erste zeit-ausgabe von 2012 fischte, fiel mir ein artikel der journalistin nina pauer in die hände. sie beschreibt darin die „jungmännliche identitätskrise“. verkopfte, ängstliche baumwollstrickjacken-träger versteckten sich hinter hornbrillen und verschenkten melancholische mixtapes mit „mädchenmusik“ anstatt beim flirten einen gang höher zu schalten. der amerikanische sänger justin vernon alias bon iver verkörpere mit seiner kastratenstimme dieses „idealbild von der neuen weinerlichen männlichkeit“, die für frauen zunehmend zum problem werde. nun hatte ich allerdings eine woche zuvor in vernons neue platte gehört, die unter dem projektnamen shouting matches, zu deutsch: lautstarke auseinandersetzung, firmiert. auf „grownass man“ wird rauer blues-rock direkt aus dem proberaum geboten. zwar gilt insbesondere der blues als inbegriff der traurigen künste, doch hat das genre schon immer auch trotzige klagen und positives liedgut bereitgehalten – bis hin zu allzu sexistischen texten über die diversen „little girls“. sehr weit davon entfernt, in eines dieser extreme abzudriften, raunzt und grollt vernon in stücken wie „gallup, nm“ oder „three dollar bill“, dass nicht nur ein mark oliver everett oder ein b.b. king, sondern auch die zeit-journalistin gefallen finden dürfte. im shuffle „mother, when?“ steckt so viel elan, wie es sich frau an der theke einer großstadtbar von ihrem gegenüber erwarten dürfte. und der opener „avery hill“ huldigt den großen rock-kompositionen der 1970er, als die herren von welt überschüssiges testosteron noch vor den bühnen ihrer rock-götter ausschwitzten. das waren noch zeiten! nun sind natürlich auch die eels für gefühlsvollste balladen bekannt – und wer, wenn nicht b.b. king, bringt seine gitarre mit äußerstem zartgefühl zum singen. da sollte es doch selbst um die idealbilder der generation „schmerzensmänner“ längst noch nicht so arg stehen, wie befürchtet. vielleicht am ende alles eine frage der richtigen cd-auswahl. nina pauer nun im umkehrschluss typisch weibliche hysterie zu unterstellen, liefe andererseits meinem geschlechter-verständnis zuwider. ich hab‘ immer schon lieber etta james gehört.“

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